Salut Guido, lass uns das Eis doch mit einer etwas ungewöhnlichen Frage brechen. Im Haus lieben wir Musik. Feiern, Geniessen. Also erzähl: Welche Musik, welche Situation – wie sieht für dich ein perfekter Moment mit eurem Wein aus?
XRS 2016 – warum nur zieht es mich immer wieder zu Terem Quartet? Muss die spanische Assoziation sein…
MTRNR 2016 – ein großer Wein fügt sich für mich wunderbar zur großen Oper: Gern die ‹La Traviata› und die Flasche lässt uns zwei hervorragend in Genuß und Ergriffenheit schwelgen.
VVNT 2014 – viel Extrakt mit sehniger Spannung – das ruft für mich nach einer Aufnahme des Barcelona Gypsy Klezmer Orchestra -Konzerts in Andorra vom 09.01.2015. Sehr berührend und dann wieder mitreißend. Fein miteinander.
BRMTH 2015 – gern etwas fette Basslinien vom vintage Vinyl hierzu: sei es Creation Rebbels ‹lows & highs› oder auch Pete Rock ‹InI-Center of Attention›. Gestern musste es allerdings Billy Cobham’s Album ‚Strato‘ sein…..
CRBR ‹JS› 2016 – tja; je nach Verlauf des voran gegangenen Abends… mal eher Anoushka Shankar, mal klassischen Rembetiko (‹Story of Indian Cannabis›), immer wieder sehr gern Fritz Wunderlich mit Schubert-Liedern oder Dinu Lipatti mit Chopin. In jedem Falle seidig und transzendent !
2. Die gute alte “einsame Insel” – bei uns selbstverständlich ausgestattet mit Weinkühlschrank unter der Palme. Welche 3 Flaschen müssen einfach da drinnen sein?
Unausweichliche Folge meiner deutschen Sozialisation: In jedem Falle eine Flasche Riesling: Am ehesten wohl eine Auslese aus dem ‚Dorsheimer Pittermännchen‘ gerne 1996 vom Herrn Diel. Ein Roter sollte von Jean-Michel Stéphan dabei sein; und weil ich länger auf der Insel plane, wähle ich 2002er Côte-Rotie, Côteaux de Tupin. Schließlich müssen eines Tages die Retter begrüßt werden – also Cava: Recaredo! Garantiert unbescheiden: 2003 ‚Turó d’en Mota (brut nature)
3. Kein grosser Wein ohne leckere, aromatische Trauben. Da sind sich eigentlich alle einig. Was ist euch in diesem Zusammenhang besonders wichtig? Worauf legt ihr im Weingarten besonders viel Wert?
Für uns geht es darum, dass es so schmeckt, wie wir unsere Weinberge wahrnehmen: urwüchsig, sonnenverwöhnt, steinig und vom Wind gezaust. Dazu muss der Boden leben. Wir bringen also NICHTS GIFTIGES mit. Kein Kupfer!!! Wir versuchen, die Terrassen mit Ihren unendlichen Kilometern Trockenmauern zu erhalten und dort wieder aufzubauen, wo die Zeit schon nagt… Wasserabzug nach alt-römischem System: immer schön diagonal zur Neigung kanalisiert, damit’s nie zu schnell und reißend abläuft. Im Herbst legen wir um die Stöcke herum kleine Vertiefungen an (dort hinein geben wir etwas vom eigenen Kompost) – sonst wird am Boden nicht mechanisch gearbeitet. Unser Anschnitt zielt auf sehr wenige Trauben mit höchster inhaltsstofflicher Konzentration.
4. Die wenigsten Winzer reden transparent darüber, was im Keller genau passiert. Welche Zusatzstoffe verwendet werden etc. Wir wolln es aber wissen! Also, raus mit der Sprache: Was passiert ? Welche Zusatzstoffe bzw. “Tricks” benutzt du bei der Vinifikation?
Im Keller gibt es mehrere Tricks: zuerst mal ist alles blitzsauber. Dann wird die Lese penibelst selektiert – nach der ersten Selektion im Weinberg werden im Keller daraus nur gesunde Beeren von Hand entrappt und verlesen. Die Menschen, mit denen wir unsere Ideen umsetzen, sind Teil unseres guten Betriebsklimas. Sie wissen, dass ihre Sorgfalt unsere Weine besonders macht. Sie tragen diese hohe Verantwortung mit Stolz und fühlen sich als Teil eines schlüssigen Ganzen. Die wichtigsten Zusatzstoffe in unserem Keller sind folglich LIEBE und SEHR VIEL ZEIT.
5. Läuft etwas schief in der modernen, teils ja vollständig industrialisierten Weinproduktion? Worüber ärgert ihr euch am Meisten ?
Über alle die auf Kosten der Mitwelt Produktionstechniken anwenden, die gegenwärtiges und zukünftiges Leben weniger reichhaltig, weniger authentisch, weniger divers und folglich weniger lebenswert machen. Über alle, die an der großen Lüge mit tragen die da sagt: Alle können überall Alles jederzeit billig bekommen. Über Gedankenlosigkeit, Skrupellosigkeit, Gleichgültigkeit, Ignoranz und Respektlosigkeit.
6. Zurück zu euren Flaschen. Was charakterisiert eure Weine? Was macht den typischen Oiseau Rebelle Stil aus?
Unser Verständnis von Tradition umfasst über 7000 und nicht lediglich 150 Jahre. Modernes Weinwissen ist für uns nicht die Einladung alles das zu tun, was technisch möglich wäre. Eher freuen wir uns daran, wozu kompromisslos an Inhaltsstofflichkeit orientiert erzeugte Moste fähig sind, wenn man sie schlicht beim Weinwerden begleitet. Ihnen genug Zeit zur Entwicklung gibt. In unseren Flaschen stecken die Jahrgangsverläufe aus der Perspektive der Reben: Die zurückkehrende Lebendigkeit unserer Böden, die überstandenen Stürme des Jahres, unsere Maßgaben zur Begrenzung der Erträge, unsere unterstützende Hinwendung zum Schutz vor Krankheiten und unser dankbares Entgegennehmen der Früchte. Uns bleibt im Keller nur noch dieses Potential zu entwickeln, die vorhandenen Nuancen zum Klingen zu bringen und dabei zu helfen, dass das ganze Orchester auf gut gestimmten Instrumenten aufspielen kann, um die durstenden Seelen derer zu verzücken, die sich auf den eigenständigen Ausdruck eines gewaltigen Terroirs einlassen wollen.
7. Wonach strebst du, oder genauer: wann bist du mit einem Wein zufrieden, wann bist du stolz?
Zufrieden und bisweilen stolz bin ich, wenn immer wieder neu Einmaliges entsteht und trotzdem wiedererkennbare Elemente so zahlreich vorhanden sind, dass Zuordnung möglich wird: Zuordnung zum Ort, zum Winzer und zum Jahrgang. Mein Streben richtet sich dahin, die Zuordnungen aus dem Munde unserer Kunden zu hören.
8. Was ist “Grosser Wein”?
Großer Wein spricht alle Sinne an und wärmt die Seele. Unmöglich kann seine volle Größe allein genossen werden. Großer Wein erfordert unabdingbar Zeit: Zeit zur Entstehung, Zeit zur Reife und Zeit zum Genuß. Groß wird Wein nicht zuletzt durch den, der ihn verkostet – erst das Aufeinandertreffen der richtigen Personen und des richtigen Weins zur richtigen Zeit und am richtigen Ort ermöglichen diese kostbaren, raren Momente vollendeten Weingenusses.
9. Kommen wir zu einem “Horrorszenario”: ein Kunde darf nur eine einzige Flasche aus unserem Sortiment verkosten. Welche sollte er einpacken & was dazu essen?
Sicher ist das ja mal gar kein Horrorszenario sondern ein kleiner Moment organisierten Versprechens: In dieser Flasche steckt – je nach Anzahl derer mit denen geteilt wird – ein Auftakt oder durchaus ein ganzer Abend Genuss!
Hier empfehle ich unseren Vermouth-Typ: BRMTH 2015 zunächst als Apéritif im Sherry-Glas und mit geeister Kumquat während noch ein paar Handgriffe für’s Essen gemacht werden. Ein flirrender Auftakt: Die hochreife Weinigkeit wird anfangs von den Zesten-Aromen in luftige Höhe getragen, dann entwickelt sich vielschichtige Kräuterigkeit die mit salzig-lakritziger Würze geschmacklich sehr trocken, jedoch appetitlich mundwässernd das lange Finale einleitet. Im Verklingen erinnern Töne von getrockneten Feigen, Datteln und Korinthen somnambul an träges Lümmeln im warmen Sand wohl beschattet unter Palmen und umweht von feurigen Darbuka-Rythmen…
Derweil ist das Essen fertig: Die Austern sind im fest geschlossenen Topf auf trockenem Rosmarin geräuchert worden und knapp angestokkt mit geraspelter Kruste vom Salers gratiniert. Sie werden auf einen kleinen Sockel aus Buchweizenrisotto (mit wenig schwarzem Sesamöl gekocht) gesetzt und mit frischen Granatapfelkernen umkränzt. Dazu wird der BRMTH 2015 ins Burgunderglas geschenkt und brilliert als Weinbegleitung mit seiner Reiffruchtigkeit, dem unwiderstehlichen mineralischen Schmelz und erstaunt mit seiner aromatischen Robustheit neben den markanten Aromen der Austern.
Das Dessert hat tags zuvor etwas Vorbereitungszeit in Anspruch genommen – aber es lohnt die Mühe unbedingt. Es gibt also einen Baba au rhum: Der klassische Hefeteig ist um karamellisierte Zesten von Bitterorangen ergänzt und verfeinert wird mit zuvor flambierten Orangentranchen (ganz wie beim Crêpe Suzette) und ein wenig angegossener IPA-Reduktion (bis zum Sirup eingedickt und mild mit Fleur de sel gesalzen). Dazu gibt es den BRMTH 2015 dezent angewärmt – bitte deutlich unter Glühweintemperatur – am besten bei etwa 40° im Mocca-Tässchen. Überraschend, wie der Wein alle aromatischen Referenzen des komplexen Desserts spiegelt, einfängt und zu einem größeren Ganzen erhebt. Leicht verschafft er zuverlässig den Eindruck erleichternd aufs Wohlbekommen zu wirken, indem er der Verdauung helfend beispringt.
So breitet sich zufriedene Glückseeligkeit mit dem Eindruck aus, eine komplexe Weinbegleitung mit wirklich verschiedensten Facetten mittels nur einer Flasche ‚aus dem Hut gezaubert‘ zu haben. Wem das noch nicht genügt, dem sei verraten, dass spannende Cocktails in Anlehnung an klassische Rezepturen ebenso wunderbar auf Basis unseres BRMTH 2015 gelingen.
10. Zum Schluss lass uns ein Genusswochenende planen. Haste nen Tipp? Wohin solls gehen? Wo Essen ? Wo Schlafen? Kann man da vielleicht eure Weine geniessen?
Es geht natürlich nach Banyuls – zu uns! Kaum irgendwo gibt es so viel so dicht beieinander: Berge und Meer, Kulturlandschaft pur und Genuss-Verlockungen allenthalben. Übernachten lässt es sich entspannt im ‚Hôtel les ELMES‘ – in der Saison lockt dort ein feiner kleiner, sandiger Strand unmittelbar vorm Haus – direkt Tuchfühlung mit dem Mittelmeer aufzunehmen. Flink ist man von dort aus nach Collioure gefahren, hat das alte Künstlerdorf bestaunt und ist dann vor den zahlreichen Menschen nach Port Vendres geflohen, um rasch eine Kleinigkeit in der örtlichen Fischerei-Kooperative zu sich zu nehmen: die Austern-Bar auf der Dachterrasse wirkt fast mondän, der Blick über Hafen und Städtchen erfreut.
Danach will man sich etwas bewegen und steigt zur Tour de Madeloc auf: die 656 Höhenmeter werden nicht nur mit grandioser Aussicht belohnt sondern rechtfertigen auch den Besuch im ‚le Cinquième Péché‘ am Abend nach dieser körperlichen Anstrengung. Der Genuss ist vom Ambiente familiär, von der Küche hingegen ambitioniert; der chef Masashi Iijima hat zuvor viele spannende Stationen durchlaufen, nicht nur im ‚el Celler de can Rocca‘. Ein letztes Getränk an der Bar des hoteleigenen Restaurants ‚la Littorine‘ lässt den Abend wohlig ausklingen.
Der nächste Morgen beginnt mit dem Besuch einiger unserer Parzellen für alle die keine Höhenangst haben und sich im Geländewagen auf schlechten Wegen nicht unwohl fühlen. Alle anderen können auf der geteerten Piste bleiben, gelegentlich aus- und die Parzellen hinauf oder hinab steigen. Es werden alte Reben, Trockenmauern und Abzugsgräben bewundert und besonderen Genuss bereitet der stets sich wandelnde Blick auf die Fülle der Weinbergsterrassen, die landeinwärts aufsteigenden Höhenzüge und das immer wieder zu erspähende Mittelmeer. Solch ein Ausflug macht neugierig und auch durstig – so schließt sich der Besuch in unserer cave mit eingehender Verkostung an.
Der aufkommende Appetit wird mit einer kleinen Vesper regionaler Köstlichkeiten befriedigt um anschließend gemächlich ins Museum ‚Aristide Maillol‘ zu spazieren. Ein kleiner Kaffee an der Strandpromenade, danach vielleicht ein Bad im klaren Wasser und schon ist es Zeit ans Abendessen zu denken: Es geht ins Gourmet-Restaurant ‚la Côte Vermeille‘ im Hafen von Port Vendres – am Abend scheint der bereits vertraute Blick bezaubernd verändert und die besonders (aber nicht nur) darauf spezialisierte Küche überzeugt mit perfekt auf den Punkt gegarten regionalen, saisonalen Fischen, die handwerklich vollendet am Tisch serviert werden. Die Auswahl auf der Weinkarte erfreut – nicht nur mit unseren Weinen… Abschließend noch ein romantischer Moment am Strand vor dem Hotel und schließlich den feinen Sand von den Füßen streifend erfüllt und zufrieden in die Kissen sinken – so schnell geht das Erschaffen unvergesslicher Eindrücke, von denen man hernach immer wieder schwärmen wird!